Ich steh an deiner Krippen hier
Von nah und fern sind sie gekommen.
Maria und Josef aus Nazareth.
Das Kind, ein Wunder aus einer anderen Welt.
Die Hirten von den Feldern vor der Stadt.
Die Weisen aus dem Morgenland.
Am Heiligen Abend stelle ich mich dazu.
Wie viele vor mir überspringe ich die Kluft der Zeit.
In dieser Nacht scheint das möglich zu sein.
War nicht schon damals die Zeit seltsam aufgehoben, diese Nacht aus ihr herausgefallen in die großen Hände Gottes?
,,Ich steh an deiner Krippen hier." Auch Paul Gerhardt hat vor über dreihundert Jahren die Kluft der Zeit übersprungen, als gäbe es ihre Grenzen nicht.
Und so er ein Lied gedichtet, in dem er sich einfach dazustellt, in den Stall, an die Krippe, neben Hirten und Weise.
Er macht es wie sie: Er beschenkt das Kind. Nicht mit Gold. Nicht mit Weihrauch und Myrrhe, sondern mit sich selbst:
„Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin", bittet er das Kind in der Krippe.
Verzückt schaut er es an. Eine Liebeserklärung sind die Worte, mit denen er es besingt.
Auch sie heben die Grenzen auf, die die Zeit uns setzen will.
Was das Kind bewirkt, reicht bis in die Gegenwart hinein:
Es fällt als Sonne in die Todesnacht, es bringt Licht, Leben, Freude und Wonne.
Nicht zu fassen ist seine Liebe, und so dichtet Paul Gerhardt:
„0 dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!"
Am Ende des Liedes steht eine seltsame Wende. Nun ist es nicht mehr der Dichter, der das Kind beschenken will. Er bittet vielmehr darum, dass es ihn begleitet und in sein Leben einzieht: ,,So lass mich doch dein Kripplein sein, komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden."
Am Heiligen Abend stelle ich mich zu Paul Gerhardt und singe sein Lied mit ihm.
Bewegt und angerührt stehe ich dort mit vielen und schaue auf das besondere Kind, das sein göttliches Leben mit unserem menschlichen Leben verbindet.
Die Trennlinie zwischen Himmel und Erde ist durchlässig geworden in dieser Nacht.
Gott zeichnet sich in die Welt ein, in das Leben, bis heute.
Mitten unter uns lebt er als Mensch und geht doch weit über unser Leben hinaus.
In der Zeit sind wir einen Moment lang schon aus ihr herausgefallen.
Nicht in einen Abgrund, sondern in die großen Hände Gottes.
Aufgehoben sind wir, damals und heute, an der Krippe und auf dem Weg,
aufgehoben mitten im Leben in ihm.
An der Krippe
Hirten sind gekommen. Und Könige.
Maria und Josef. Ochse und Esel.
In der Mitte die Krippe. Darin das Kind.
Über allem ein seltsamer Glanz.
In Gedanken stell ich mich dazu.
Was bringe ich mit an diesem Abend?
Was möchte ich diesem Kind schenken?
Was ablegen bei ihm?
Gott hat sich zu uns auf den Weg gemacht.
Ist zu uns gekommen in einem Kind.
Und ich?
Bin ich angekommen bei ihm?
Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien, Freunden und Angehörigen von Herzen ein gesegnetes, frohes und friedvolles Weihnachtsfest.
Für den GA-St. Marien
Gisela Spickenreuther