Impulse

Impuls 2. Sonntag der Osterzeit

Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Am zweiten Sonntag der Osterzeit tritt der Apostel Thomas auf die Bühne. Bei vielen werden sofort die
Ohren klingeln: das war doch der, der den anderen Jüngern nicht glauben wollte, als die ihm erzählten: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Fakt ist, dass Thomas nicht dabei war, als Jesus am ersten Osterabend seinen Jüngern erschien. Vielleicht ist er bewusst nicht hingegangen, weil er allein trauern wollte oder weil er nach den aufwühlenden Ereignissen der letzten Tage noch etwas Zeit brauchte.

Fakt ist aber auch: Thomas unterstellt seinen Freunden nicht, sie würden Märchen erzählen. Thomas bestreitet nicht, dass es eine Auferstehung der Toten geben kann. Als ihm seine Freunde von der Begegnung mit Jesus berichteten, fragt er lediglich nach: „Habt ihr auch seine Wunden gesehen?“ Waren die echt oder war es nur Schminke? Die Jünger können keine Indizien vorlegen. Das einzige, was sie sagen können, ist: „Wir haben den Herrn gesehen!“

Leider wissen wir nicht, in welchem Ton die Elf das gesagt haben:

„Wir haben den Herrn gesehen!“

Sachlich, wie im Radio die Verkehrsdurchsagen kommen?

„Wir haben den Herrn gesehen!“

Angeberisch? Du nicht – wir sind etwas Besonderes?

„Wir haben den Herrn gesehen!“

Vorwurfsvoll? Du warst ja nicht da!

„Wir haben den Herrn gesehen!“

Vermutlich haben sie froh und ohne Hintergedanken gesagt: „Freu dich mit uns! Schade, dass du nicht da warst!“ Was sie dem Thomas berichteten, ist eine Einladung: Such dir selber die Erfahrung, die wir gemacht haben!

Zum Glauben einladen: die Bistümer in Frankreich haben das vor drei Jahren zum Leitwort ihrer Seelsorge gemacht. „Proposer de la foi“: Christen stellen anderen vor, was sie selbst glauben. Sie erzählen, wieso ihnen der Glaube an Jesus Christus guttut. Sie schlagen den anderen vor, diesen Glauben selbst auszuprobieren. Damit sind sie ganz nah dran an dem, was Jesus getan hat. Auch seine Botschaft war eine Einladung, ein Vorschlag! Er schwätzt den Jüngern nichts auf, er überschüttet sie nicht mit Lehrsätzen, er macht keine Glücksversprechungen. Frankreichs Bischöfe nehmen es als gegeben, dass nur noch wenige von Kindheit an in den Glauben einer christlichen Familie hineinwachsen. In Frankreich ist es gar nicht so wichtig, Kinder und Jugendliche jahrgangsweise zur Erstkommunion oder Firmung zu erfassen. Thomas war erwachsen! Wenn einem der Glaube vorgeschlagen wird, muss man frei sein, den Glauben anzunehmen oder auch abzulehnen.

Auf meinem Weg zu Christus stand am Anfand die Familie. Die Mutter nahm mich mit in die Kirche. Der Opa ging jeden Sonntag zur Messe, und ich spürte, wie er voll Vorfreude loszog. In der Oberstufe des Gymnasiums steckte mich dann der Vikar mit seiner kritischen Sicht auf die Theologie an. Ich lernte ganz neu auf Jesus zu schauen. So könnte ich eine lange Litanei mit den Namen derer aufschreiben, die zu mir sagten: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Überredet oder gezwungen wurde ich nie. Vielleicht ist mir deshalb das Modell „den Glauben vorschlagen“ so sympathisch.

Bis heute können sich viele „normale“ Gläubige in dem Apostel Thomas wiederfinden. Was ihn so sympathisch macht, ist sein vorsichtiges Herantasten an den Auferstandenen. Dadurch kommt auch er zu einer neuen Sicht auf die Wunden Jesu. Sie sind nicht mehr nur Zeichen des Scheiterns und Versagens, sondern Hinweis auf ein neues Leben, das bei Gott auf uns wartet. Dass es Ihnen gelingt, in dieser Osterzeit schon einen kleinen Vorgeschmack auf dieses neue Leben zu erspüren, das wünscht Ihnen

 

                                 Ihr Pastor Burkhard Pepping.